Ich als Mann stelle mir vor, ich wäre eine Frau und müsste hinnehmen, in Zukunft mit dem separat gesprochenen Wort „*innen“ angesprochen und gemeint zu werden. Ich würde mich sehr ärgern, auf ein „*innen“ reduziert und damit diskriminiert zu werden.
Innen waren wir Frauen lange genug. Innen in der Küche, innen bei den Kindern, innen in der Kirche. Soll das eine Wegweisung von einigen „*Innen“ sein, wo wir wieder hinsollen, dort wo uns Jahrzehntausende währendes Patriarchat hinzwang, weil angeblich der Maßstab für Menschen der Mann sei und die Frau unvollkommen und minderwertig? Vorneweg marschierten die Männer-Religionen, die im Erfinden von Dingen, die ihnen, den Männern, am meisten nützen, sehr erfolgreich sind. Glauben diese „*Innen“ allen Ernstes, dass mit so einer Sprachverbeulung, Männer schneller bereit sind, ihre Machtpositionen aufzugeben?
Wie empfinden das eigentlich Männer, die in einer Anrede jetzt z.B. als „Kolleg“ angesprochen werde, nicht als „Kollege“? Ist das eine symbolische Sprachkastration, weil die wirkliche nicht geklappt hat? Feiert das „Schwanz ab!“ der dogmatischen „*Innen“ fröhliche Urständ?
Was wird da für eine Zeit und Energie verschwendet für Unnützes und Kontraproduktives in der Forderung nach Gleichbehandlung aller Geschlechter.
Das generische Maskulinum bildet zweifellos nicht sprachlich die berechtigte Forderung nach Gleichbehandlung aller Geschlechter ab, aber die gesellschaftlich ungerechte Realität. Trotz dieser männlichen Sprachherrschaft kämpfen sich mehr und mehr Frauen aus ihrer Unterdrückung und Missachtung heraus. Großartig! Verglichen mit den Jahrzehntausenden Patriarchat ist dieser Kampf der Frauen in kürzester Zeit schon sehr erfolgreich gewesen. Nicht wegen einer Sprachverbeulung waren sie so erfolgreich, sondern wegen zielorientierten politischen Handelns.
Sprache bildet Gesellschaft nur ab. Und ja, sie wirkt natürlich auch auf Gesellschaft zurück, indem in ihr eine sorgfältige Analyse der „Herr“schaftsverhältnisse zum Ausdruck gebracht werden kann. Deren Erkenntnisse wiederum kann zu zielgerichtetem politischen Handeln führen. Sprachlich durchaus auch in Ironisierungen wie dem „Herrenlosen Damenfahrrad“, die die männerdominierte Gesellschaft und damit die männerdominierte Sprache lächerlich machen.
Sprache allein kann aber nie Gesellschaft ändern. Ich empfehle nochmal bei Orwell nachzulesen und danach zu fragen, warum Diktatoren, Tyrannen und Despoten als erstes die Meinungsfreiheit einschränken und alle Medien daraufhin ausrichten, ihre ungerechte Herrschaft gerecht erscheinen zu lassen. Sprache dient also dort immer der Verschleierung und produziert Ideologie (gesellschaftlich „notwendigen“ Schein). –
Der Mensch will Effizienz, auch in der Sprache. Der Fachbegriff für solche Verkürzungen, die das Sprechen vereinfachen, verdichten und beschleunigen ist „Ellipse“. Im hessischen können z.B. die Sätze „Entschuldigung, was haben Sie gerade gesagt? Ich habe Sie nicht verstanden. Könnten Sie es bitte noch einmal wiederholen?“ sehr viel kürzer ausgedrückt werden, nämlich mit „Heh?“ Das „e“ klingt dabei je nach dialektaler Färbung mehr nach „ä“ oder auch in Richtung „ö“.
Verdichtungen und elliptische Konstruktionen entstehen somit durch Aus- und Weglassungen. Sie verkürzen, verdichten. Dadurch kommen natürlich bestimmte Inhalte nicht mehr zum Ausdruck. Nur noch die Kontextkenntnis kann den vollständigen Sinn des Gemeinten wieder hervorbringen. Das lässt natürlich Interpretationsspielraum, und das hat die Hermeneutik bereits hinlänglich geklärt. –
Ich als Mann werde jedenfalls das kastrierende und Frauen diskriminierende sogenannte Gender-Sternchen mit glottal stop, dem stimmlosen Glottisschlag, nicht sprechen und mich stattdessen noch mehr bemühen, zu erläutern, warum Geschlechterungleichbehandlung ungerecht, undemokratisch und unmenschlich ist.
Ich fände auch ok, wenn wir langsam das generische Femininum einführen und sprechen und schreiben würden, denn zumeist steckt in dieser Verwendung das Maskuline sowieso drin.
Man könnte noch einen Schritt weitergehen und nachdenken, welches Potenzial in Sprachen überhaupt steckt, dort jetzt schon sinnvolle Änderungen anzustoßen. Im Englischen „She“ zum Beispiel steckt schon das „He“ drinne. Männer stecken im Weiblichen sowieso schon häufig, nicht nur bei der Zeugung, sondern auch noch neun Monate beim Heranwachsen alles Männlichen im Weiblichen, also der Schwangerschaft. Also wozu die Aufregung?
Nach der Mode des Unterstrichs, des Binnen-Is usw. nun eine neue Sprachnormen-Sau, die durchs Dorf getrieben wird? Gut gemeint ist nicht immer gut. Man könnte auch sagen: verschlimmbessert. Die vergehende Zeit wird helfen sichtbar zu machen, was sich am Ende durchsetzt.
Eine aufgezwungene Sprachnorm wird eingefleischte Patriarchen und Chauvis ganz sicher nicht bekehren. Und alle wirklich emanzipierten Frauen, die ich kenne, sehen das Phänomen entspannt und gelassen und engagieren sich weiterhin zusammen mit aufgeklärten Männern gesellschaftspolitisch und privat für Geschlechtergerechtigkeit; und zwar tatsächliche. Und die beginnt richtigerweise zunächst mit einer gesetzlichen Quote, bis sich Männer an die Gleichbehandlung gewöhnt haben und vielleicht entdecken, dass diese für die menschliche Gemeinschaft so viel mehr bringt als eine Männerdominanz.
Das gilt z.B. auch für den Bundesgerichtshof. Dort könnte dann im Justizwesen eine Frauenquote dafür sorgen, dass folgende Einschätzung ihrer Männerkollegen in Bezug auf Femizide auf den Müllhaufen der Geschichte ladet: „Im Übrigen wurde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in jüngster Zeit wiederholt entschieden, dass „die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat“ [sic!], nicht zwangsläufig als niedrig zu bewerten sei, und dass „gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist“ als gegen die Verwerflichkeit sprechend beurteilt werden dürfe. Umgekehrt komme es keinesfalls darauf an, ob „der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft“ war. […} Laut Bundesgerichtshof sollte das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nicht vorliegen, wenn „die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“. (Bundesgerichtshof vom 29.10.2008, 2 StR 349/08.)
Quelle: HU Berlin | Juristische Fakultät | Prof. Dr. Lembke | 10099 Berlin, 1. März 2021 > https://www.bundestag.de/resource/blob/825404/7fae4ea94396d41013e650348a8fe7af/19-13-121f-data.pdf
By the way, wäre eine Männerquote in Kitas und Grundschulen nicht auch etwas Hilfreiches für die Kinder, von klein auf Gleichberechtigung zu erfahren und zu erleben? Dass Geschlechterprägung nur durch Kultur geschieht, ist eine dummer Wunschvorstellung, bar jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis. Menschen können nicht ihr Geschlecht „frei“ wählen, und es hat einen starken Einfluss auf das Verhalten, auf die Haltung und die Weltsicht. Darum ist eine Gleichberechtigung unter Achtung der Verschiedenartigkeit so wichtig.
Wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern, wird sich auch die Sprache ändern, denn, wie gesagt, Sprache ist im Wesentlichen nur ein Reflex auf Gesellschaft.
Hintergrund
– Stoverock, Meike 2021: Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation. Stuttgart: Cotta´sche Buchhandlung; Tropen
– van Schaik, Carel/ Michel, Kai 2020: Die Wahrheit über Eva. Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern. Hamburg: Rowohlt