Philosophen sind Weltbeschreiber, selten auch mal -erklärer. Sie tun es zumeist sprachlich. Mit, in, über, durch Sprache finden sie ihren Ausdruck. Und schon sind wir an zentralen Punkten von Weltbeschreibung angekommen: den Präpositionen oder Verhältniswörtern.
Mit der Formulierung „der Mensch an und für sich“ beschreibt man das dilemmatöseste Geschöpf der Evolution vom Anfang an und in seiner erhofften Vollendung. Warum? Die Präposition „für“ macht deutlich wo“für“ der Mensch steht: für sich! Zuerst und zu allerst für sich. Me first!
Die Renaissance hat dieser biologischen Festlegung den Begriff „Individuum“ verpasst. Und die selbst ernannten Behaupter, also diejenigen, die behaupten, es gäbe einen Gott oder mehrere Götter, befeuerten das Glaubens-Dogma propagandistisch mit dem geschickten Werbe-Slogan, der Mensch sei die „Krone der Schöpfung“. Sie meinten aber damit immer nur sich selbst als rücksichtslose Aneigner von Hab und Gut und Arbeitsleistung anderer und Anders-Behaupter, sprich: Andersgläubiger. Deswegen mussten sich ja auch alle Gestirne um die Erde drehen. Logisch! Und deswegen musste man auch die Hölle und Folter erfinden. Folgerichtig!
In der Wissenschaft munkelt man, der Mensch stehe aber doch immer in Relation, im Verhältnis zu. Zur Umwelt, zu anderen Menschen. Es liege ihm an anderen. Der Mensch sei Sozialwesen und wesentlich auf Sozialkontakt angewiesen. Deshalb könne er ja auch empathisch und solidarisch sein.
Dieses Dilemma unversönlicher und unauflöslicher Gegensätze zeigt sich immer wieder etwas deutlicher in Krisen. Wenn das Opium fürs Volk, also Fußball, Volksfeste und Reisen und die Kohle, also die wesentlichen Ressourcen knapp werden. Im Krieg und bei Pandemien beispielsweise. Dann wird auch schonmal „fringsen“ durch einen Behaupter erlaubt, also das Klauen, Kohlen in unserem Fall. Aber ja nicht das Rütteln an den Säulen der Macht. Das nicht. Packtieren die Ober-Behaupter des Übersinnlichen doch gerne mit den Mächtigen, die sehr sinnlich echte Waffen besitzen. In der Regel Männer. Eine weltgeschichtlich erfolgreiche Liason. Deswegen ist es einfacher, wenn der oberste Behaupter auch gleichzeitig der oberste weltliche Enthaupter ist, sprich: der oberste religiöse Führer ist auch oberster weltlicher Führer in Personalunion.
Der große Führer (man setze die Silbe „Ver“ davor) Erdo-Kalif-Khan zeigt grandios, wie das Rad der Geschichte zurückgedreht werden kann. Mal eben um etliche hundert Jahre Zivilisationsgeschichte in einem NATO-Land, das in die EU will, in eine Ländergemeinschaft, die für gegensätzliche Werte steht oder stehen will.
Was hat das alles mit einem weltweit gültigen Wirtschaftssystem zu tun? Nun, darin wird besonders deutlich, was offensichtlich den Menschen treibt, und es wirft die Frage auf, was die „Krone der Schöpfung“ vom Krokodil unterscheidet. Ja klar, das Krokodil ist sozialer. Es häuft keine Reichtümer „an“. „Für“ sich. Es liegt ihm nichts an Anhäufungen von Dingen für sich, die es anderen vorher weggenommen hat. Sei es als Arbeitsleistung durch Sklaven und sklavenähnliche Ausbeutungsverhältnisse, Lebensressourcen wie Land, Bodenschätze und Wasser. Da ist der Mensch an und für sich sehr erfinderisch, auch sein Tun zu verbrämen. Sein Reptilien-Hirn, das Stammhirn, dominiert. Und dem nachgelagerten Groß-Hirn bleibt nur die Rolle der „argumentierenden“ Groß-Tuns nach Anweisung der obersten Instanz, des Klein-Hirns. Fressen, saufen, ficken. Oder literarisch: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral (Brecht).
So haben wir nun auch einen Generalschlüssel, der manchmal das Verständnis aufschließt für das Verhalten von Menschen und ihr Verhältnis zum Mitmenschen wie die Betrüger bei Wirecard, Steuerhinterzieher wie Höneß, Profitmaximierer wie Tönnies und die vielen aus gleichen Motiven Handelnden.
Hintergrund
– Freiberger, Harald 2020: Mitreden unerwünscht. Wie der Zahlungsdienstleister Wirecard und der Fleischkonzern Tönnies die Mitbestimmung aushebeln. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 219 vom 22.09.2020, Seite 15.
– Fromme, Herbert 2020: Was der Fall Wirecard lehrt. Unternehmen sind zu intransparent. Die schwache Aufsicht schützt lieber die Unternehmen als die Kunden. Die marktwirtschaftlichen Briten machen es besser. In: Süddeutsche Zeitung vom 25.07.2020, Seite 22.
– Willmroth, Jan 2020: Kommt die Lex Wirecard? Das Bundesfinanzministerium will die Finanzaufsicht mächtiger machen und Kontrollen verbessern: Der Überblick über die wichtigsten Ideen. In: Süddeutsche Zeitung vom 25.07.2020, Seite 23.
– Thomas, Dieter 2020: Geld und Gier. Libertäre Trickster: Warum funktionierte der Wirecard-Betrug so lange? Eine Erklärung. In: DIE ZEIT Nr. 32 vom 30.07.2020, Seite 45
– Heuser, Uwe Jean/ Plattner, Roma 2020: Maßloser Wohlstand. Bislang wird die Wirtschaft daran gemessen, wie viel verkauft wird. Nun suchen Wissenschaftler ein Instrument, das fragt, was die Welt wirklich bewegt. In: DIE ZEIT Nr. 34 vom 13.08.2020, Seite 21
– https://www.finanzwende.de