„Satire ist ein ungemütliches Genre. Satire ist böse. Und wer dafür zu zimperlich ist, möge bitte zu Hause bleiben. Man tanzt doch auch nicht Pogo, wenn man an Osteoporose leidet.“ (Lisa Eckhart in: Haberl, Tobias 2020: Blondes Gift. Die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart arbeitet hart an der Grenze des Sagbaren. Und überschreitet sie lustvoll. Interview in: Süddeutsche Zeitung Magazin vom 13.08.2020, Seite 27-31)

Satiriker lieben die Welt
Karikaturisten und Satiriker gehören zu den Menschen, die ihre Mitmenschen am stärksten lieben. Würden sie sich sonst tagtäglich mit ihnen und ihrem Verhalten beschäftigen?
Würden sie sonst tagtäglich ihre Finger genau in die Wunden legen, die schnell heilen sollten? Dystopie und Utopie sind siamesische Zwillinge oder zwei Seiten einer Medaille. Satiriker sind hoffnungslose Philanthropen.

Was darf man in Deutschland sagen?
DIE ZEIT hat einige Aussagen zusammengestellt, die erlaubt oder nicht erlaubt sind. Interpretationsspielräume der Gerichte werden dabei sichtbar.
Zwei Beispiele:
„15. Alice Weidel ist eine Nazi-Schlampe. […]
Erlaubt. Im Satire-Magazin extra3 war die AfD-Politikerin so bezeichnet worden und hatte auf Unterlassung geklagt. Das Landgericht Hamburg stellt im Mai 2017 fest, dass hier die Satirefreiheit greife. Satire dürfe eine Meinung auch überspitzt präsentieren. Die Aussage habe sich – betont politisch unkorrekt – auf eine Forderung Weidels bezogen, die politisch Korrektheit gehöre auf den ‚Müllhaufen der Geschichte‘. Die sexuelle Konnotation werde in dem Kontext nicht mitgelesen, und ‚Nazi‘ beziehe sich auf die Tatsache, dass Weidels Partei dem weit rechten Spektrum zugeordnet werde.
[…]
30. So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden. […]
Erlaubt. Ein Publizist, der diesen Satz auf seiner Internetseite veröffentlicht hatte, war im August 2013 vom Amtsgericht Würzburg wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach erfolgloser Berufung legte er eine Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht beschloss 2017, dass die Urteile die Meinungsfreiheit des Mannes nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Zur Äußerung an sich erklärte das Gericht , dass sie nicht eindeutig sei. Meinte der Autor, dass im ganzen Jahr 1944 keine Juden nach Auschwitz deportiert wurden – was den Holocaust verharmlosen würde und strafbar wäre – oder dass nach dem Jahr 1944 keine Transporte mehr stattfanden? Im November 1944 fuhr nämlich der letzte Transport in das Vernichtungslager. Im Zweifelsfall müsse man den Satz zugunsten des Angeklagten deuten.“

Quelle: Hofmann, Robert 2020: Was darf man in Deutschland sagen? In: DIE ZEIT Nr. 36 vom 27.08.2020, Seite 161/162(54 Entdecken). Mit Unterstützung von Prof. Roger Mann, Georg-August-Universität Göttingen.
Scan vom 27.08.2020: