Auto-Industrie steuert Politik
Interne Unterlagen, die die Recherchen von abgeordnetenwatch.de „jetzt ans Licht gebracht haben, belegen: Auch nach dem flächendeckenden Betrug im Dieselskandal konnten Autohersteller die Abgasverordnungen in ihrem Sinne beeinflussen – und das zum wiederholten Male.
Schon 2015 – die Öffentlichkeit erfuhr gerade vom Ausmaß des Dieselskandals – war es der Autolobby gelungen, schärfere Abgasnormen auf EU-Ebene zu verhindern.
Damals bekamen die Autohersteller prominente politische Unterstützung – so setzte sich etwa der derzeitige Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) höchstpersönlich dafür ein, dass die Bundesregierung die Wünsche der BMW-Group nach lascheren EU-Abgasnormen durchsetzte.
Mit unseren Recherchen haben wir das Lobbypapier aus der Bayerischen Staatskanzlei damals öffentlich gemacht – gegen den Widerstand des Kanzleramts, das lange versuchte, das Schreiben vor uns geheim zu halten.
Recherchen zeigen: kein Einzelfall.
Jetzt zeigen abgeordnetenwatch.de-Recherchen: In Sachen Abgasnormen und Strafzahlungen konnte die Autolobby erneut Einfluss auf die Bundesregierung nehmen – und sie bekam dabei erneut Schützenhilfe aus Bayern.
abgeordnetenwatch.de hat nun zwei brisante Lobbyschreiben öffentlich gemacht, die Ende 2018 im Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) eingingen und für die Öffentlichkeit bisher unzugänglich waren.
Ein Lobbyschreiben stammt vom Lkw-Hersteller MAN, das andere aus dem Bayerischen Wirtschaftsministerium vom damaligen Staatsminister Franz Josef Pschierer (CSU). In beiden werben die Absender explizit darum, sich in Brüssel für eine Abschwächung der geplanten CO2-Regulierung und insbesondere der Strafzahlungen für schwere Nutzfahrzeuge und Lkw einzusetzen.
Auch im Bundesministerium für Umwelt und Wirtschaft gehen zu dieser Zeit Lobbyschreiben mit inhaltsgleichen Forderungen ein – in der Autoindustrie will man vor den Verhandlungen auf EU-Ebene anscheinend nichts dem Zufall überlassen. Lobbyschreiben verfehlen ihre Wirkung nicht. Und die Rechnung der Autoindustrie geht tatsächlich auf: Deutschland wird sich in Brüssel wenig später mit einer drastischen Senkung der geplanten EU-Strafzahlungen durchsetzen – und das, obwohl unter anderem die EU-Kommission deutlich höhere Strafzahlungen gefordert hatte. Die nun von uns veröffentlichten Lobbyschreiben belegen zweifelsfrei, wie erfolgreich die Autolobby Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nimmt.
Und auch in diesen Tagen zeigt sich wieder die Macht der Autoindustrie: Seit Wochen läuft der Verband der Automobilindustrie (VDA) und allen voran deren Top-Lobbyistin und Ex-Kanzleramtsministerin Hildegard Müller (CDU) Sturm gegen die höheren EU-Klimaziele, die in Brüssel diskutiert werden. Dass die Politik den Forderungen der Industrie auch diesmal Folge leistet, ist keineswegs ausgeschlossen.“